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zonak

Betrug beim (Chip-) Tuning mit ecoOBD2, nitroOBD2 und EcoRide

ecoOBD2 und nitroOBD2 Tuning-Adapter ecoOBD2 und nitroOBD2 Tuning-Adapter

In einschlägigen Internetauktionshäusern und bei chinesischen Einkaufsplattformen, aber auch bei vermeintlich seriösen Anbietern, werden seit einiger Zeit OBD-Stecker angepriesen, die schier unglaubliches zu einem phantastisch günstigen Preis um die 20 € können. Es gibt vier verschiedene Adapter, die verschiedene Versprechen erfüllen sollen:
  • grün, ecoOBD2 Benzin: bis zu 15 % Kraftstoff sparen
  • blau, eco OBD2 Diesel: bis zu 15 % Kraftstoff sparen
  • gelb, nitroOBD2 Benzin: bis zu 35 % mehr Leistung und bis zu 25 % mehr Drehmoment
  • rot, nitroOBD2 Diesel: bis zu 35 % mehr Leistung und bis zu 25 % mehr Drehmoment
Das ganze soll erstaunlich einfach zu erreichen sein:
Die Leistung Ihres Fahrzeugs zu steigern, war noch nie so einfach. Sie verbinden das Nitro OBD2 Gerät einfach mit dem OBD2 Anschluss Ihres Fahrzeugs, schalten die Zündung ein und nach ca. 30 Sek. starten Sie den Motor. Nach weiteren 30 Sekunden beginnt das Nitro OBD2 mit seiner Optimierung und schon nach ca. 200 Kilometern, die das Nitro OBD2 für die Sammlung der Daten und Optimierung benötigt, merken Sie ein besseres und Kraftvolleres anspruchsverhalten Ihres Motors. Dabei verändert die NitroOBD2 jedoch nicht die Werksleistungen des Fahrzeugs, sondern sie optimiert die Verwendung der vorhandenen Ressourcen. Die Abstimmung der Ressourcen werden vom Werk oft auf ein durchschnittliches Fahrverhalten angepasst.
Diese versteckte Möglichkeit, die Ressourcen optimal auf das eigene Fahrverhalten abzustimmen, wird durch das Nitro OBD2 realisiert. Dabei wird kein gravierender Eingriff in die Technik vorgenommen, denn das ist auch nicht notwendig. [...]
Nach ungefähr 200 Kilometern welche Sie natürlich nicht am stück fahren müssen, hat das NitroOBD2 ausreichend Daten gesammelt, um die Justierung vornehmen zu können. Danach aktiviert die Box die gewünschten Parameter und greift so in die Leistung des Fahrzeugs ein. Sollte der Einfluss des NitroOBD2 nicht mehr gewünscht sein, kann man sie einfach entfernen. Die Einstellungen werden in diesem Fall wieder auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt. [Quelle: www.my-obd.de/Diagnose-Interfaces/ECO-GRUeN-V2-Benzin-sparen-sicher-einfach-fuer-alle-Benzin-KFZ-M::175.html]
  1. Pull the Car Key out from the ignition
  2. Find OBD2 connector(*) in your car and Plug in Nitro OBD2
  3. Insert the key into the ignition and twist the key to the first stage. (Do not start the car)
  4. Press the reset buttom for about 5 sec. After releasing the buttom, just wait for a while about 30-54 sec. (Nitro OBD2 will communicate and establish connection with ECU)
  5. Start up the engine
  6. Nitro OBD2 chip tuning will recognize your vehicle and your driving habits, after around 200 km/150 miles driving and thus NitroOBD2 benzine will adjust itself to match your car perfectly for more fuel saving [Quelle: www.aliexpress.com/item/10pcs-For-Benzine-Nitro-OBD2-Chip-Tuning-Box-More-Power-Torque-NitroOBD2-Chip-Tuning-for-Benzine/32471622141.html]
Auf dem Pappdeckel des Blisterkartons steht übrigens nichts von wegen "bis zu ... mehr", sondern da steht "35% More Power" und "15% Fuel Save" statt "bis zu". Also definitiv so viel soll es bringen - ohne wenn und aber. Und zur Funktion wird gesagt "remapping the Car's computer ECU". Also durch Änderug des Fahrzeugcomputers ECU, was nichts anderes bedeuten soll, als eine Kennfeldänderung im Motorsteuergrät.

Das wollte ich natürlich auch haben. Das wäre ja phänomenal. Was für eine Ingenieursleistung! Wie machen die das nur? Also schnell mal ein paar der Teile gekauft und getestet. Paßt doch prima, daß ich gerade eine längere Fahrt vor mir habe. Also den Diesel nitroOBD2 eingesteckt und losgefahren. Die LEDs an dem Ding blinken in einem schönen Muster. Was das bedeutet, weiß kein Mensch, denn egal, welchen Verkäufer man fragt: eine Anleitung gibt's nicht und alle weigern sich hartnäckig und unisono, die Frage nach der Bedeutung zu beantworten. Aber wenn's funktioniert, soll's mir doch egal sein. Also fahre ich so vor mich hin auf der Autobahn, mal 130 km/h, mal mehr, wie es sich so ergibt. Ich kann stolz sagen, daß mein T5 mit 128 KW sowieso schon gut unterwegs ist. 180 und mehr ist kein Problem und egal, ob voll oder leer, auf der linken Spur habe ich schon den ein oder anderen "Sport"-wagen mit meinem Möbelwagen die Berge hochgejagt. Komisch dann, daß auch nach deutlich mehr als 200 km Strecke sich nichts ändert. 35 % mehr Power sollten sich doch bemerkbar machen. Noch schneller, noch spritziger, noch ich weiß nicht was. Aber nichts. Schade.

Auf dem Rückweg wird's Zeit, den zweiten Adapter zu testen. Jetzt soll gespart werden. Auf dem Hinweg habe ich laut Bordcomputer so 9...12 l/100 km verbraucht. Auf dem Rückweg sollte es also deutlich weniger sein. Mehr als ein Liter sollte gespart werden können. Ich fahre ähnlich wie zuvor, doch es ist ernüchternd und die Verbrauchsanzeige zeigt das an, was ich auch sonst zu sehen bekomme, wenn ich bei 130 km/h mitschwimme oder mal zügiger bin. Nichts mit Sparen.

Wieder zu Hause, will ich es natürlich wissen: was steckt drin in den Wunderkisten, wie machen die das? Also werden die Gehäuse aufgehebelt bzw. mit dem Trennschleifer gequält. Es steckt recht ähnliche Technik drin. Ich habe zufälligerweise zwei rote nitroOBD2 und erstaunlicherweise sind beide unterschiedlich. Offenbar gibt es auch bei Elektroschrott eine Weiterentwicklung.

Innenleben ecoOBD2 und nitroOBD2Innenleben nitroOBD2 (Links und Mitte) und ecoOBD2. Alle für Diesel.

In allen drei sitzt ein Microchip mit 4 MHz Quarz, ein paar der ominösen LEDs, ein Festspannungsregler 7805, ein Taster und ein wenig SMD-Hühnerfutter.

Innenleben ecoOBD2 und nitroOBD2Platinen nitroOBD2 (unten) und ecoOBD2.

Es stellt sich als erstes die Frage, wie damit eine OBD II-Kommunikation möglich sein soll. Wer sich mit der Materie auskennt, weiß, das es verschiedene Signalpegel für die möglichen Protokolle gibt. K-Line benötigt 12 V, während der Mikrocontroller im Adapter mit 5 V arbeitet, so daß also eine Anpassung notwendig ist. Hierfür können Operationsverstärker oder Pegelwandler wie der L9637 oder MC33660 zum Einsatz kommen. Nichts davon ist vorhanden. Für CAN ist ein CAN Receiver und ein Bustreiber notwendig. Der Receiver könnte im Mikrocontroller integriert sein, keinesfalls aber der Bustreiber. Hierfür wird oft ein MCP2551 oder PCA82C250 benutzt. Aber weder ein solcher, noch sonst irgendein Treiber ist vorhanden. Auch keine Kondensatoren und Widerstände, wie Sie zur HF-Entstörung erforderlich sind. Richtig spannend wird es bei SAE J1850: Auch hierfür sind Pegelwandler erforderlich. Aber vor allem müßte überhaupt eine Verbindung zum Fahrzeug vorhanden sein. Bei dem einen nitroOBD2 wird anhand der Pins des Steckers deutlich, daß es gar keine gibt. Es sind nur die Pins 4-8 und 14-16 intern vorhanden. SEA J1850 benötigt Pin 2 und 10. Das paßt nicht zur Aussage "fits all car from the year of 1996", denn SAE J1850 war bis 2008 als OBD II-Protokoll erlaubt.
Das sind einige Ungereimheiten, wie das mit den Protokollen und elektrischen Signalen klappen soll. Aber vielleicht sind die Softwareentwickler, die hinter den Adaptern stecken (wenn man doch nur wüßte, wer der Hersteller wirklich ist), so genial, daß sie all diese unnütze Elektronik gar nicht brauchen. Immerhin können sie ja auch etwas, was sonst keiner schafft: Die Kennfelder der ECU über OBD2-Protokolle ändern (bitte beachten: man kann Kennfelder ändern - aber nicht über OBD II-Protokolle und schon gar nicht universell ohne zu wissen, um was für ein Auto es sich ganz genau handelt)

Microchip PIC 16F59 Microchip PIC 16F59

Bleibt noch ein Blick auf den Prozessor: ein simpler Microchip PIC 16F59. Das Ding ist ein 8-Bit Prozessor mit gerade einmal 3 KB Programmspeicher. Ich entwickle auch Software für Mikrocontroller. Aber ich würde es nie im Leben schaffen, in so wenig Speicher auch nur ansatzweise irgendein OBD II Protokoll zu realisieren. Geschweige denn, daß ich wüßte, wo man da die umfangreichen Kennfelddaten speichern will, mit der man ja die ECU "remappen" will. Aber ich gebe es gerne zu: ich bin vielleicht einfach nicht so begnadet, wie die Entwickler bei "nicaay" (der Name steht auf der Blisterpappe).
Bleibt noch die Frage nach dem CAN Receiver. Der PIC hat keinen. Es wäre auch schwer vorstellbar, wie mit einem 4 MHz Quarz CAN realisierbar sein sollte aber ohne CAN Receiver geht es nun mal gar nicht. Natürlich kann man das auch in Software selber lösen. Aber in 3 KB? Die Typen müssen wahre Gurus sein - Respekt.
Ich vermute mal, der PIC ist nur deshalb da drin, damit neugierige Laien nicht sofort den Adapter als Mogelpackung entlarven, wenn da nur ein paar Blink-LEDs drin wären. So sieht es aus, als wäre hochwertige Technik drin.

Auf einer taiwanesischen Webseite zeigt irgendwer (vielleicht der Hersteller?) einen ambitionierten "Techniker", der begeistert mit seinem Durchgangsprüfer nachweist, das zwischen den Pins des Steckers und den Platinen tatsächlich eine elektrische Verbindung besteht. Zusammen mit dem Pinout eines OBD II-Steckers auf dem Tisch sieht das sehr professionell und vertrauenserweckend aus. Keine Ahnung, was der Typ da labert aber vermutlich ist es irgendein Stuß zur Aussagekraft seiner "Messung".

[Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=PDvArm1iQV0]

OK, gehen wir die Sache doch anders an: schauen wir mal, was so an den verschiedenen OBD-Anschlüssen passiert. Vielleicht kann man da ja noch was lernen, wenn man sich die Signale ansieht, die zwischen Motorsteuergerät und Wunder-Tuning-Box hin und her gesendet werden. Also ECU, Oszilloskop und nitro/ecoOBD anschließen und sich überraschen lassen. Nichts. Rein gar nichts. Kein zucken, kein zittern, kein gar nichts passiert da. Auf keinem einzigen Signalweg wird auch nur irgendein Bit bewegt oder eine Signalflanke erzeugt. Oh Wunder. Lediglich die LEDs werden auf phantasievolle Weise zum blinken gebracht. Dafür reicht der Speicher im PIC natürlich aus.

Also, wie machen die das? Wie wird mehr Leistung erziehlt oder weniger Sprit verbraucht, wenn rein gar nichts zwischen Motorsteuergerät und Adapter an Kommunikation stattfindet?

Die Antwort ist einfach und naheliegend: die getesteten Geräte sind Beschiß, Betrug, Nepp, Bauernfängerei. Wer sich so was kauft, hat sein Geld rausgeschmissen. Im Grunde verbraucht man sogar mehr Sprit und die Leistung sinkt, denn die Lichtmaschine muß Strom für diesen Müll erzeugen. Und selbst wenn das ganze funktionieren würde: jegliche Veränderung an der Motorleistung muss geprüft und genehmigt werden. Wird eine Tuningmaßnahme nicht in die Fahrzeugpapiere eingetragen, erlöschen Zulassung und Versicherungsschutz. Wirksame Tuning-Adapter also einfach anstecken und nicht einzutragen, ist also auf jeden Fall illegal.

Nachtrag (10.3.19): Wolfgang Rudolph berichtet am 19.11.2018 in seinem Youtube-Channel Computer:Club2 über diese betrugerischen Geräte. Auffällig finde ich, daß sowohl der Inhalt, als auch die Erzählabfolge viele Parallelen zu meinem Beitrag hier aufweist. Neu sind "seine" Erkenntnisse auf jeden Fall nicht, wie ein Blick ins Web-Archiv vom 16.3.2016 zeigt.

Nachtrag (18.6.22): Anscheinend hat sich herumgesprochen, daß ecoOBD2 Betrug ist. Also haben die Hersteller den Namen geändert und nennen den Artikel nun "EcoRide" und versprechen vollmundig:
Unser Forschungsteam suchte nach Antworten und entdeckte kürzlich ein neues und innovatives Produkt, das die Art und Weise, wie Autofahrer ihre Fahrzeuge nutzen, verändern wird. Es ist einfach, nicht invasiv und bietet dennoch eine Kraftstoffersparnis von bis zu 15 % bei jedem Benzin- oder Dieselfahrzeug. Dieses Produkt heißt EcoRide, und Tausende von Menschen sehen bereits Ergebnisse. [Quelle: www.eco-ride.org/de]
Die grünen Stecker sehen aus wie vorher und ich lehne mich mal weit aus dem Fenster (ohne sie getestet zu haben): es ist der gleiche Betrug wie vorher und der Nutzen ist gleich Null. Natürlich "sehen die Menschen Ergebnisse": es leuchtet und blinkt schön - klar zu sehen.

Nachtrag (1.7.22): Auch die c't hat das Thema nun entdeckt und im Grunde die gleiche Analyse gemacht (mit neueren Modellen, die sogar auf den PIC-Mikroprozessor verzichten), wie ich schon vor sechs Jahren und kommt zum gleichen Ergebnis: Abzocke mit blinkenden Kraftstoffsparsteckern.