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zonak

Israel - Das heilige Land (2014)

Als die ersten Gedanken an eine Reise nach Israel aufkamen, war ich doch etwas befremdet. Was will man denn da? "Mit meiner Familie in ein Kriegsgebiet fahren [...] in einem Land, in dem kein Schwein gegessen wird, in einer Wüste, in der keine Kasinos stehen [...]."[*] Das vorgeprägte Bild zeigt Waffen, Panzer, von Raketenangriffen zerstörte Häuser und Staub. Nichts von wegen "erweckt diese Melodie nicht in dir das Verlangen, deinen Besitz auf einen hölzernen Karren zu werfen und ihn langsam und traurig aus deinem brennenden Dorf zu ziehen?"[**]
Anschließend wurden Webseiten studiert, die Mitreisenden wälzten die üblichen Reiseführer, es wurden Ausflugsziele zusammengetragen und schließlich eine individuelle Reise zusammengestellt: Flug, Mietwagen, vier Nächte im Hostel in der Jerusalemer Altstadt und drei Tage Hostel in Akko. Preislich befanden wir uns damit im günstigen Bereich. Jetzt hieß es nur noch die eigenen Hemmungen, Ängste und Vorbehalte zu überwinden. Wie wird das sein, wenn man an bestimmten Tagen kein Brot kaufen kann, an anderen an der Klagemauer das Fotografieren verboten ist, Geschäfte am Freitag zu aber dafür am Sonntag offen sind, in anderen Vierteln Autofahrer am falschen Tag mit Steinen beworfen wird, alles in hebräischer oder arabischer Schrift unlesbar bleibt? Können wir ans Tote Meer fahren oder kommen wir nur bis zum Kontrollpunkt? Ist es gar besser, mit dem Taxi weiterzufahren? Sicherheitshalber folge ich den Empfehlungen des Auswärtigen Amt und registriere mich in einer Krisenvorsorgeliste. "Israel ist das sicherste Land auf der Erde. Die einzige Gefahr hier ist dehydration."[*]

Nach einer Woche Urlaub kehren wir zurück und bringen ein ganz anderes Bild mit zurück. Mein Tip: Verbrennen Sie den vorderen Teil in ihrem Reiseführer der Ihnen Land, Leute und wissenswertes über das Land vermitteln will. Egal wie neu die Infos sind, sie sind veraltet und kauen nur die Themen und Vorurteile wieder, die vielleicht vor fünf oder zehn Jahren galten. Wenn Sie unbedingt über jede Kirche etwas lesen wollen, nehmen Sie den klassischen Baedeker. Ansonsten empfehle ich den leider nicht mehr neu erhältlichen Polyglott APA-Guide Israel. Der Schreibstil ist angenehm locker und nicht so bieder. Anschließend werfen Sie alle Bedenken über den Haufen. Vergessen Sie alles, was Sie glauben zu wissen, gehört oder gesehen haben. Alles. Machen Sie Ihre eigenen (positiven) Erfahrungen. Nichts mit Fotografierverbot, nichts von wegen kein Brot, keine unfreundlichen ultraorthodoxen Glaubensfanatiker, keine Reisebehinderungen. Die Israelis sind freundlich, weltoffen und modern. Am Strand sonnen sich die Teenies im Bikini, an der Klagemauer wird mit einer Hand an die Mauer gestützt mit dem Handy telefoniert. Irgendein Geschäft hat immer offen und verkauft das, was man gerade haben will: Brot, Fleisch, Kaffee mit und ohne Milch, Süßigkeiten, Alkohol. Am Flughafen gibt's koscheres Burger Fast-Food. An Checkpoints und selbst bei der Parkhauseinfahrt wird man zwar gefragt, wo man herkommt und ob man Waffen dabei hat, aber wenn man unbewaffnet ist, darf man weiter. Oft genügt es schon, daß wir in einem von allen Seiten deutlich erkennbaren Mietwagen sitzen, um lässig durchgewunken zu werden. Und jeder spricht Englisch - ohne Umstände, wenn auch manchmal etwas holprig, so wie man selbst.

Die Ausreise aus Deutschland gestaltet sich schwieriger als alles, was uns in den nächsten sieben Tagen noch bevorsteht. Vor dem Check-In muß man dem "Sicherheitsdienst" von El Al Rede und Antwort stehen. Unsere Gruppe wird getrennt und während meine Begleiter befragt werden, stehe ich mir die Füße in den Bauch. Endlich bin auch ich dran und werde ins Kreuzverhör genommen. Wo ich hinwolle, warum mein Paß neu sei, wo ich schon alles hingereist bin, was ich beruflich mache, wieso ich die anderen kenne. Man merkt, daß in den wiederholt gleichen Fragen tatsächlich Kontrollfragen untergebracht sind, die mit den Antworten der Mitreisenden abgestimmt werden. Zum Schluß muß ich auch noch die Webseite von meinem Onlineshop auf dem Handy des smarten Mitarbeiters zeigen, und ihm bestätigen, daß wirklich ich der Betreiber bin. Sichtlich von diesen Verzögerungen genervt ist auch die Dame am Check In. Während sie meinen Koffer wiegt, stöhnt sie angesichts der Verzögerungen und ermahnt mich, sofort zum Boarding zu gehen. Die üblichen zwei Stunden Vorlauf sind fast aufgebraucht. Vor dem Boarding kommt noch eine Kontrolle irgendwelcher Israelis, dann die Deutschen, dann der Sicherheitscheck fürs Handgepäck unter den wachsamen Augen deutscher Sicherheitsorgane. Währenddessen erhaschen wir Blicke aufs Flugzeug, neben dem tatsächlich ein Schützenpanzer vom Grenzschutz steht. Auf Nachfragen erfahre ich, daß dies wirklich von El Al so gefordert wird. Nach der gründlichen Durchsuchung der nächste Fluglinienmitarbeiter, der wieder Boardingpaß und Paß sehen will. Und dem fällt's dann auf: Auf meinem Boardingzettel steht der Name eines meiner Mitreisenden - der ist natürlich schon seit Ewigkeiten vor mir durch. Schon bricht Hektik aus, mir vergeht die gute Laune und der Sicherheitsfuzzi wird nervös. Zum Glück bleibt die Flughafenmitarbeiterin ruhig, ruft beim Check-In an und tut das als lapidaren Fehler ab. Ich darf doch mitfliegen und mit reichlich Verspätung aufgrund des ganzen Sicherheitszirkus heben wir ab. Bevor wir Israel erreichen, haben wir schon mal einen negativen Geschmack auf das bekommen, was uns nun wohl eine Woche erwarten wird.
In Tel Aviv angekommen, geht das Theater weiter. Ewiges warten an der pingeligen Einreisekontrolle. Wieder blödsinnige Fragen. Eine italienische Familie regt sich lautstark auf und wir warten darauf, daß auch der dritte im Bunde sein ausgedrucktes Visa-Ticket erhält (aufheben!). Ab jetzt wird's aber entspannt. Mietwagen übernehmen und ab nach Jerusalem in der eingebrochenen Nacht. Ganz ohne Probleme finden wir den Weg und stehen nach einer knappen Stunde am Damaskus Tor, dem nördlichen Eingang in die Altstadt. Da ich schon vor Wochen bei stundenlanger Suche herausgefunden habe, wo unser Hebron Hostel tatsächlich ist, finden wir gut unseren Weg durch die engen Gassen und beziehen bald schon unser Zimmer. Ein enges kleines Loch auf dem Dach. Zweieinhalb schäbige Betten, immerhin ein Fenster, gammelige Dusche und Klo auf dem Flur. Billig ist gar kein Ausdruck. Aber gut, wir wollen ja nicht im Zimmer bleiben, sondern hier nur schlafen. Unten im Café bekommen wir noch ein ordentliches Abendessen und dann kraxeln wir die verwinkelten Stufen hoch, ziehen uns die miefigen Decken über den Kopf (durch Handtuch oder Laken vom Körper getrennt) und fallen in den Schlaf.

Heute steht Jerusalem auf dem Plan. Unser Hostel ist zwar billig aber dafür nur einen Steinwurf von all den vielen Punkten entfernt, die man in der Altstadt besichtigen muß. "Dieses Land hat so viel Geschichte, wer weiß, vielleicht hat Jesus sogar eine Predigt in 'Konferenzraum C' gehalten."[*] Unser Frühstück besteht aus ein paar Teigwaren, überteuertem frisch gepreßten Granatapfelsaft und Kaffee auf ein paar Stufen in der Frühlingssonne verzehrt. Die engen Gassen der Altstadt beeindrucken uns. Im halbdunkel ist es dreckig, heruntergekommen und vollgestopft mit den abenteuerlichsten Wasser, Strom und Klimaanlageninstallationen. Die meisten Geschäfte in diesem Souk sind noch geschlossen und wir pilgern noch etwas ziel- und planlos um die Grabeskirche herum. Hier sehen wir die erste Straßensperre, die für uns bald nichts besonderes mehr sein wird (mit Hilfe arabischer Fremder überwinden die beiden anderen Tage später sogar die strengsten Militärposten, die unser Hostel abgeriegelt haben). Überall in der Altstadt stehen bereits Absperrgitter an den Wänden und je nach Bedarf sperrt die Armee mal die eine, mal die andere Straße. Die jungen Damen und Herren in grün sehen für uns mit ihren großen Maschinengewehren und vollem Marschgepäck zwar anfangs befremdlich aus, doch schnell merken wir, daß sie einfach zum Straßenbild gehören. Anders als Sicherheitskräfte bei uns, sprechen sie mit Passanten, schimpfen Taxifahrer an, die sich dämlich anstellen, um ihnen anschließend mit Handzeichen aus der Klemme zu helfen, weisen Touristen den Weg oder lungern rauchend, mit dem Handy spielend und quatschend einfach im Schatten herum, bis einer ihrer Kameraden mit der nächsten Fuhre Getränke ankommt. Weiter schlendern wir und gelangen so irgendwann zur Klagemauer. Von oben sehen wir auf den Vorplatz und finden uns in einem Gewühle von Menschen wieder. Unbekannte Gebetsklänge dringen an unsere Ohren und wir genießen das Bad in der friedlichen Menge und nehmen die ersten Eindrücke in uns auf. Wir sehen Juden mit einfachen Hüten und atemberaubend dicken und hohen Pelzhüten, mit Kippa bedeckte Männerköpfe, Rettungsdienstmitarbeiter mit Schläfenlocken und selbst den Jugendlichen hängen die Zizit aus der Hose. Aber vor allem sehen wir ganz normale Menschen. Ein bunt gemischter Haufen alltägliche Kleidung tragender Männer und Frauen, die es auf den Platz und an die Westmauer zieht. Wir lassen uns mittreiben, passieren die eigentlichen Ausgangsportale und stehen staunend in der Frauenabteilung, bis wir bemerken, daß auch auf dem Vorplatz eine legere Trennung vorgesehen ist. Hier herrscht eher eine entspannte Atmosphäre als übertriebener religiöser Eifer. Es wird gelacht, am Handy telefoniert, fürs Familienfoto posiert und gelegentlich auch gebetet. Langsam leert sich der Platz und wir sehen, daß es eigentlich strenge Einlaßkontrollen wie am Flughafen mit Röntgendurchleuchtung der Taschen und Metalldetektoren gibt. Vor der eigentlichen Klagemauer gibt es einen abgetrennten Bereich und langsam werden meine Mitreisenden mutiger und wagen sich auch hierhin. Da ich keine Kopfbedeckung dabei habe, bleibe ich draußen und beobachte die Kinder, die einfach über die Zäune klettern und lachend auch so in die Frauensektion gelangen. Mich zieht es auch näher und so stolpere ich über eine Schale, in denen Kippas zum Ausleihen liegen. Nun so angemessen bekleidet suche ich meinen Weg zwischen den Betenden, die sich um Tische mit Bibeln und Torarollen gruppieren und beobachte diejenigen, die den Kopf an die Mauer lehnen oder sie mit einer Hand aus zweiter Reihe berühren. In meiner Vorstellung waren die Steine viel verwitterter und jeder steckt einen Zettel zwischen die Ritzen. Tatsächlich sind es aber so kleine und wenige Spalten, daß die meisten Zettel nach kurzer Zeit herunterfallen und nachfolgenden Gebeten Platz machen. Seine Segenswünsche muß man übrigens schon vorher notiert haben. Papier und Zettel liegen hier nirgends aus. Auch hier, am heiligsten Ort, wird munter telefoniert und fotografiert. Als wir am Abend wiederkommen und es deutlich leerer ist, stört sich keiner daran, wenn Touristen aller Länder hier posieren. Einzig auf den Tempelberg kommen wir nicht. Laut den Reiseführern ist dies zwar über die (hölzerne) Mughrabi-Brücke möglich, aber derzeit geht das nie und auch beim schlendern durch die Stadt sind alle Wege hin zum Tempelberggelände streng bewacht und nur für Moslems frei. Obwohl erst April, ist das Wetter schon fast sommerlich und als wir die Stadtmauern im Osten umrunden, genießen wir den Sonnenschein. Irritiert beobachten wir, wie Jugendliche auf dem Hügel gegenüber Böller oder Steine hinter einem orthodoxen Juden hinterherwerfen und er vor ihnen davon rennt. Ob wir doch Zeuge von Glaubensstreitigkeiten oder nur einem alltäglichen Streit oder jugendlichen Machtspielen sind, bleibt unklar.
Wieder in der Altstadt treffen wir auf die Via Dolorosa und folgen einigen Stationen auf dem Leidensweg Jesus. In einer Kapelle bei der St. Anna Kirche an der Stelle des Geburtshauses Maria klettern wir hinab in die Höhlen mit dem Altar für ihre beiden Eltern. Müde setze ich mich im Hof von Geißelungs- und Verurteilungskapelle auf ein paar schattige Stufen. Als sich der nächste aus unserer Gruppe dazusetzen will, weist uns der Wächter freundlich daraufhin, daß er uns zwar gut verstehen kann, aber so bald die Treppe voll sitzender Leute ist. Nach ein paar freundlichen weiteren Worten fragt er uns, ob wir nicht gerne einen schönen Blick auf den Felsendom hätten. Sein Junge könnte uns da was zeigen. Begeistert folgen wir unserem jungen Führer durch ein leeres Schulgebäude über mehrere Hinterhöfe und bekommen zwei Fensternischen gezeigt, von denen wir tatsächlich einen einmaligen Blick auf die leere Anlage des Tempelberges haben. Das Trinkgeld hat sich auf jeden Fall für diesen Insidertip gelohnt und so knipsen wir munter drauf los und freuen uns über diese Gelegenheit. Nach Durchschreiten des Ecce Homo-Bogens stoßen wir wenig westlich vom Eingang in das Kloster der Schwestern Zions auf ein griechisch-orthodoxes Kloster in dessen Höhlen oder Grotten im Kellergewölbe nach Ansicht der Mönche das Gefängnis von Jesus und Barabbas lag. Völlig erschöpft von so viel Kultur gehen wir erst einmal Essen. Anschließend geht es weiter durch die inzwischen deutlich volleren Gassen zur Grabeskirche. Da wir eh am Hostel vorbeikommen, setzen wir uns kurz hin und trinken einen Tee. Im Gegensatz zum verbreiteten arabischen Kaffe, der in einer kleinen Kanne aufgekocht wird und dessen deutliche Note nach Kardamon fremdländisches Flair verströmt, handelt es sich beim Tee meist um dünnen Beuteltee, der aber immerhin auf Wunsch mit ein paar frischen Pfefferminzblättern ("with mint") aufgebrüht wird, was dem ganzen dann einen erfrischenden Geschmack verleiht. An der Kirche angekommen quetschen wir uns zuerst durch ein paar der Kirchenräume, die sich hier alle um die Ruhestätte angesiedelt haben. Die Kirchen sehen teilweise eher wie Wohnzimmer aus und man stolpert über die "Bewohner", und sieht in deren Teeküche. Vor dem Eingangsportal bildet sich eine Schlange und ohne zu wissen, ob und wann es hier was zu sehen gibt, stellen wir uns dazu. Während ich nach einer halben Stunde aufgebe und alleine weiterziehe, bleiben die anderen noch etwas vor Ort. So entdecken wir getrennt von einander neue fremde Eindrücke: rosa eingefärbter Blumenkohl, Fleischhälften die ungekühlt einfach beim Metzger an der Straße hängen, Obst und Gemüse, Brot und Süßigkeiten, Haushaltswaren neben Touristenkitsch, Trecker mit Anhänger, die laut knatternd und hupend durch die engen Gassen brettern und den Müll einsammeln, Lieferjungen mit schwer beladenen Karren und die allgegenwärtigen orthodoxen Juden, die in der sprichwörtlichen jüdischen Hast ihre Kinder hinter sich herzerrend durch die Gassen eilen.

Heute ist Karfreitag. Während ich noch an der Matratze horche, macht sich einer von uns schon auf den Weg zur Grabeskirche und schafft es heute dann auch tatsächlich in dessen Inneres zu gelangen. Nachdem er zurück ist und wir alle fertig sind, machen wir uns auf den Weg zum Toten Meer. Etwas nervös, da wir mit dem Mietwagen unterwegs sind und an Grenzkontrollen und feindlich gesinnte Palästinenser denken. Es geht ständig abwärts und gen Osten. Eine Straßenkontrolle gibt es gar nicht auf der breiten, gut ausgebauten Straße. Noch in Jerusalem halten wir kurz an und fotografieren die Mauer der israelischen Sperranlagen zum Westjordanland. Auf der Strecke sind zahlreiche Fahrzeuge unterwegs und neben den gelben israelischen Kennzeichen sehen wir zunehmend auch die grünen des Westjordanlandes. In der schnell wüstenartig werdenden Landschaft sind die Höhen über dem Meeresspiegel markiert und wir passieren Normalnull und -300 bis wir nach Jericho abbiegen. Eine rote Warntafel weist uns daraufhin, daß wir nun die von Palästinensern verwaltete Zone A, die für Israelis gesperrt ist, befahren. Bei Jerichow dann der erste Kontrollpunkt. Kurz abbremsen, sagen, wir sind Touristen aus Germany und wir werden weitergewunken - vorbei ist die ganze Aufregung. Ein kurzer Stop in der Innenstadt und wir begeben und zum Berg der Versuchung. Nach kurzem Zögern nötigen wir unseren Fahrer, das Tor zu ignorieren und die Schotterpiste hinauf zu fahren und halten direkt an der oberen Seilbahnstation. Zwei Jungs, die hier auf große Geschäfte mit Nüssen für Touristen hoffen, belagern uns sofort, wollen den Wagen putzen und verlangen ein paar Schekel. Touristen fehlen gänzlich und so erklimmen wir die letzten Stufen bis zum Kloster, das hier direkt an den Fels geklebt wurde und von wo man eine tolle Aussicht über das Land hat. Auch meine Begleiter dürfen nach kurzem Betteln trotz ihrer kurzen Hosen hinein. Anschließend geht es zum baden. Am nördlichen Ende des Toten Meeres gibt es mehrere Badeanstalten. Viele Israelis verbringen hier offenbar den ganzen Tag und die Nacht, denn eine kleine Zeltstadt erhebt sich auf dem Gelände. Ansonsten sieht es aus wie in jedem Schwimmbad: lachende Menschen in Badebekleidung. Orthodoxe Gläubige kommen vermutlich nicht hier her. Die Kinder toben in den Süßwasserbecken und wir begeben uns hinab (die zu hohe Wasserentnahme aus dem Jordan läßt den Meerespegel weiter sinken) zum Wasser, wo deutlich weniger Trubel als an den Pools herrscht. Das typische Bild des auf dem Wasser treibenden, der Zeitung liest, ist wirklich machbar. Ungewohnt ist aber auch, daß man zwangsläufig umkippt, wenn man versucht zu stehen und etwas aus der senkrechten gerät. Nachdem die Jugendgruppe die Schlammsuhle freigegeben hat, legen wir uns in den schwarzen Modder und widmen uns der Schönheitspflege und Gesundheitsführsorge. Da wir noch viel vorhaben, können wir leider nicht sehr lange bleiben und fahren weiter entlang der Küste. Es geht vorbei an schönen Ausblicken auf das Salzwasser mit den vielen Blautönen am Ufer und den pflanzenleeren Hängen der Steinwüste. Nur gelegentlich gibt es hier Haine mit Dattelpalmen, die grüne Flecken in die Landschaft malen. An einer besonders interessanten Stelle halten wir, kraxeln verbotenerweise hinab zum Ufer und fotografieren die dicken Salzschichten und -Krusten. Das Wasser ist so salzig, daß es Schlieren zieht, wenn man die Füße hinein hält und über die glattgeschliffenen Salzkrusten, die sich wie Marmor anfühlen, tappt. Zwei alte Männer suhlen sich in den farbig schillernden und weit nach faulen Eiern stinkenden Schlammlöchern. Wer weiß, ob das einfach angenehm warm ist oder auch der Gesundheit dient? Wir kommen an die südliche Hälfte des Sees, der industriell genutzt wird. Vorher reihen sich noch ein paar Hotelburgen aneinander und wir kommen an Massada, dem Tafelberg vorbei, für dessen Besuch es aber schon zu spät ist. "Wir haben keine Zeit Massada zu sehen. Alle sind dort gestorben - wegen nichts."[*] Und so fahren wir um den südlichen Ausläufer der Westbank herum nach Jerusalem zurück. Die Altstadt ist faszinierend und läßt sich am besten bei ziellosen Streifzügen entdecken. Während die Gassen des Souk mit Händlern, Waren, Touristen, Müll und Gestank vollgestopft sind, erhebt sich darüber eine fast leere Zweitwelt. Das Leben der Einwohner findet auf den Dächern statt. Hier befinden sich Gärten, alte Bäume, leere Plätze und sogar Autos. Irgendwo führt eine Treppe hinauf oder eine Gasse windet sich um ein paar Ecken nach oben und schon ist man fast alleine und kann den Touristen durch die Luftschächte in den Marktgassen zusehen.

Wir beschließen Bethlehem zu besichtigen und dann nach Massada zu fahren. Vorher besuchen wir noch die Kirche der Nationen, pilgern den Ölberg hinauf und schießen die typischen Touristenfotos der Jerusalemer Stadtansicht. Zwischen Jerusalem und dem Autonomiegebiet gibt es hier eine richtige Mauer, so wie früher in Berlin - nur noch höher. Die Grenze passieren wir wieder schnell und schon finden wir uns im Gewühle um die Geburtskirche wieder. Wir haben Glück und bei unserer Ankunft findet eine Parade mit Musik statt. Das soll irgendwas mit den britischen Besetzern zu tun haben. Die Kirche sieht wie die meisten christlichen Kirchen hier aus: voll beladen mit Gold, Silber und Ikonen. Der Kreuzgang der nebenan liegenden Kirche spendet angenehme Kühle. Anstatt den großen Bogen um das Westjordanland zu fahren, nehmen wir die Straße vorbei an Hebron und kommen durch eine abwechslungsreiche Landschaft, die sich von Agrarwirtschaft in trockene Savanne verwandelt. Beim Verlassen der Westbank werden wir das erste mal nach unseren Pässen gefragt. Da wir aus westlicher Richtung kommen, nehmen wir die lange Zufahrt (vorbei an frei laufenden Kamelen) zu Westseite des Tafelberges anstatt die Sesselbahn an der Ostflanke zu nutzen. Von hier laufen wir neben der Eroberungsrampe hinauf und besichtigen die riesige Anlage, für die wir eigentlich zu wenig Zeit haben. Angesichts der dunklen Gewitterwolken witzeln wir noch, wann es anfängt zu regnen, um kurz darauf mitten in einem Sandsturm zu stehen. Der Sand ist so fein, daß es eher Staub ist, doch er bläst so stark, daß alle Besucher aufgefordert werden, den Berg zu verlassen. Auf dem Rückweg nehmen wir noch eine Rangerin mit, mit der wir uns ein wenig unterhalten. So erfahren wir, daß ein derartiger Sandsturm eher selten ist, daß sie sich freut, daß es uns hier so gut gefällt und wir so viele positive Eindrücke auch von den besetzten Gebieten mitnehmen, in die sie leider nicht hinein darf. Wir folgen ihrer Empfehlung für ein Restaurant und finden uns in einem bei einheimischen Familien beliebtem Lokal wieder, daß ein wenig an einen Irish Pub oder eine Sportbar erinnert und dessen Wände und Decken vollständig mit Schals von Fußballvereinen dekoriert ist. Da wir inzwischen alle Scheu vor den gut ausgebauten Straßen selbst in Dunkelheit, der etwas lockeren fahrweise (Italiener und Pariser sind deutlich schlimmer) oder der Westbank verloren haben, nehmen wir die lange Route am Toten Meer nach Norden zurück nach Jerusalem, wo wir noch mal die nun ungewohnt leere Klagemauer bei Nacht besuchen.

Auch wenn wir von Jerusalem bisher nur die eigenwillige, pittoreske Altstadt gesehen haben und die modernen, westlichen Gegenden nur im vorbeifahren, geht es heute zu unserer zweiten Unterkunft im Norden am Mittelmeer bei Akko. Die Fahrt auf der Schnellstraße ist zwar nicht spektakulär, zeigt uns aber ein bisher von uns wenig wahrgenommenes Gesicht von Israel: Moderne Siedlungen, Schoppingcenter und Agrarwirtschaft. Wir bestätigen dem Schrankenwärter bei der Einfahrt ins Parkhaus, daß wir keine Waffen mitführen und tauchen in eine Welt ab, die wie jede Mall auf der Welt aussieht - sowohl die Geschäfte, als auch die Kundschaft. Einzig im Supermarkt sehen wir, daß Pessach ist und gesäuerte Lebensmittel (Chametz) durch Folien abgedeckt sind und nicht verkauft werden. Auf der Weiterfahrt machen wir einen Abstecher ans Mittelmeer und gehen an einem schönen Sandstrand baden. Wir finden das Wetter und die Wellen herrlich. Israelis ist es entweder noch zu kühl oder sie haben was besseres vor und so ist hier heute nicht viel los. In Netanya bummeln wir einmal den Boulevard hinauf und hinab, kaufen ein paar Souvenirs und fahren dann weiter durch Haifa (um die Maut für den Tunnel zu umgehen) nach Akko. Unser Hostel befindet sich wieder in der Altstadt, ist aber gar kein Vergleich mit dem vorherigen: sauberes Zimmer mit eigenem Bad, Klimaanlage, Kühlschrank und TV. Wir schlendern durch die arabisch geprägte Altstadt, die fast wie in Jerusalem aussieht, beobachten das laute Treiben am Hafen und beschließen, eine Shisha zu rauchen. Die Teestuben, die wir finden, sehen alles andere als anheimelnd und gemütlich aus. Kaltes Neonlicht, billige Plastikgartenstühle, schmutzige Fenster, Fernseher mit Fußball an den Wänden. Wir haben die Wahl zwischen dem Jugendcafé mit Billard oder der Altmännerabteilung und sind etwas verunsichert. Sobald wir aber einen Fuß hineingesetzt haben, werden wir freundlich begrüßt, zu ein paar Stühlen gewiesen und bekommen im handumdrehen unsere Wasserpfeife mit Apfelgeschmack. Der junge Kellner kümmert sich gut um uns, bringt stets neue Kohlestückchen und wir fühlen uns weder angestarrt noch übermäßig umworben - so als wäre es ganz normal hier zu sitzen.

Wir fahren ein Stück nach Norden direkt an die blaue Grenze zum Libanon, wo es eine berühmte Grotte gibt: Rosh HaNikra. Das Meer spült hier gegen die weißen Felsen und formt Löcher und Höhlen durch die sich nun die Touristen schieben. Zuvor geht es ca. zwanzig Meter mit der wohl kürzesten Seilbahn der Welt hinab. Nach dem wir dem Filmvorführer gesagt haben, wo wir herkommen, ändert er kurzerhand die Vorführzeit und Untertitel für die nächste Vorführung und bald darauf erfahren wir in einem kurzen Filmchen die Geschichte dieses Ortes - leicht patriotisch eingefärbt und begleitet von Wasserspritzern aus der Sprinkleranlage. An einem Infostand will uns eine junge Dame von der Schönheit irgendeiner Gegend (Galiläa) überzeugen. Leider ist ihr Englisch etwas dürftig (immerhin erfahren wir, wo man parken kann und dann per kostenlosem Busshuttle weiter gebracht wird) und die Prospekte alle auf Hebräisch. Aber die Fotos überzeugen und wir wissen eh nicht so ganz wo wir noch hin wollen (den See Genezareth haben wir halbherzig im Kopf) und so fragen wir sie noch nach der lateinischen schreibweise des Ortes (Ma'alot Tarshiha), damit wir was für unsere Navis haben. Auf dem Weg fragen wir uns, worauf wir uns da einlassen und ob wir am Ende nicht in irgendeiner Touristenabschleppkaschemme landen, kommen aber bald an und fahren mit anderen Touristen im Bus in einen Nationalpark. Die Gegend sieht aus wie in Südfrankreich und ich fühle mich pudelwohl hier als wir zwischen den ockerfarbigen Felsen der Hügel und grünen Bäumen einem Flüßchen folgen und einfach auf Entdeckungstour gehen. Wir erfahren von einer kleinen Höhle, schicken ein paar Niederländer in die Wüste (treffen sie aber zum Glück später wieder, um sie über unseren Fehler zu informieren) und finden sogar die kleinen Höhlen und das Steinrelief, von dem uns von anderen Wandern berichtet wurde, die uns auf den rechten Pfad zurückbrachten. Das wir den letzten Busshuttle zurück zum Auto verpaßt haben, ist nicht schlimm, denn so können wir den kleinen Wasserfall solange fotografieren, bis er genauso groß wie im Werbeprospekt aussieht und der Weg zurück ist zwar ansteigend aber in der Abenddämmerung reizvoll. Statt der üblichen Falafel oder Kebab vom Straßenstand (über beides hat unser arabischer Hostelwirt nur negatives zu berichten: zu viel ranziges Öl und "das ist doch nur BBQ"), gehen wir in ein Restaurant. Leider finden wir trotz Nachfrage keines, welches typische jüdische Gerichte im Angebot hat, die wir gerne mal kennenlernen würden.

Heute steht wieder Kultur auf dem Programm: Wir besichtigen die Kreuzfahrersäle in Akko. Obwohl es noch früh und erst Frühling ist, erfreuen wir uns an der Kühle, die ein kleiner Garten mit großen Bäumen im Eingangsbereich spendet. Die Ausgrabungen der Kreuzfahreranlage beeindruckt dann durch den guten Erhaltungszustand. Da alle folgenden Herrscher einfach die Anlagen der Vorbesitzer zuschütteten, um dann darauf ihre neuen Anlagen zu errichten, brauchen sich die Archäologen nur durch den Schutt zu graben. Die großen Säle mit ihren Kreuzgewölben beeindrucken uns ebenso wie das ausgeklügelte Frisch- und Abwassersystem aus einer Zeit, in der man bei uns noch Brunnen neben dem Plumpsklo anlegte und Schmutzwasser einfach auf die Straße gekippt wurde. In Haifa wollen wir die Bahá'i Gärten besichtigen. Schon von weitem fällt die prächtige Parkanlage auf. Allerdings werden wir nach der üblichen Taschenkontrolle etwas enttäuscht, als wir feststellen müssen, daß man nur eine Ebene der Stufengärten erreichen kann. Zugang zum Schrein und den anderen Gärten erhält man von wo anders und beides ist ab Mittag geschlossen. Die unerwartet gewonnene Zeit wollen wir mit einem Besuch des Marine- und Immigrationsmuseums (nicht zu verwechseln mit dem nationalen Seefahrtsmuseum gleich nebenan) verbringen. Das Gelände mit seinen auffälligen Exponaten im Freien finden wir schnell, nur den Zugang erst einmal nicht und dann ist auch hier heute schon geschlossen. Also fahren wir mit der gleich nebenan liegenden Seilbahn auf den Hügel hinauf und lassen die Seele ein wenig beim Blick aufs Meer und der von oben häßlichen Stadt und Hafenanlage baumeln. Nach einem kleinen Ausflug in ein Shoppingcenter ist es zum Glück Nacht als wir wieder durch Haifa zurückfahren und so erleben wir die Gartenanlage in ihrer nächtlichen Beleuchtung und halten noch mal für ein paar Fotos.

Leider ist unser Urlaub hier zu Ende. Wir haben viel gesehen und erlebt und vor allem wurde unser Blick auf dieses Land neu justiert. Die Fernsehberichte aus den Nachrichten zeigen nur die kaputte Welt der Krisenregion, die wir aber gar nicht erlebt haben und die weit entfernt scheint und von der sich der normale Israeli auch offenbar gar nicht beeinflussen läßt, sieht man mal von den Reiseverboten in die Westbank ab. Wir beschließen wiederzukommen und lassen die im Vergleich zur Einreise fast ebenso strengen Ausreisemodalitäten über uns ergehen. In Deutschland angekommen ist mein Koffer bemerkenswert ordentlich aufgeräumt und ein Infoflyer zwischen der nun gefalteten Schmutzwäsche weist mich daraufhin, daß er von Sicherheitskräften äußerst akribisch untersucht wurde.

Schalom, In schā'a llāh

[*] The Simpsons. Staffel 21, Episode 16: Simpson und Gomorrha. Auch wenn es sich hierbei um eine Satire im typischen Simpsons-Stil handelt, sollte man die Folge nicht verpassen, denn so ganz nebenbei wird viel über Israel gezeigt.

[**] Anspielung auf die israelische Nationalhymne in Alles koscher!


Leider ist die aktuelle politische Entwicklung im Herbst 2014 wieder so unerfreulich, daß man nur von einem Urlaub abraten kann und auch wir mit unseren positiven Erlebnissen sagen uns, daß wir derzeit auf keinen Fall hinfahren würden. Schade, daß ein paar kranke Fanatiker so viel kaputt machen, nur weil sie meinen, für ihren Glauben und ihre Politik auf Gewalt zurückgreifen zu müssen.